Veröffentlicht: Dienstag, 19. August 2014 10:49
Abegsehen von meinen körperlichen Beschwerden und den Nachwehen der ersten heftigen Chemo fühle ich mich heute wieder relativ gut.
Letzten Donnerstag erhielt ich „nur“ Herzeptin, welches ich sehr gut vertrage. Gegen das Zahnfleischbluten habe ich gestern angefangen mit „Ölziehen“. Das geht so, dass ich einen Löffel Sesamöl in den Mund nehme und es einige Zeit zwischen den Zähnen durchziehe, bis es ganz flüssig ist. Dann wird die ganze Sauce ausgespuckt und müsste damit die Schleimhäute entgiften. Erstaunlicherweise hatte ich so das erste Mal wieder eine schön rosane Zunge.
Dieser Rat des Ölziehens war echt gut, aber was man sonst so von den Leuten zu hören bekommt ist doch oft mehr als fragwürdig und oft absolut nicht hilfreich. Aber darüber habe ich mich ja schon in einem vorherigen Beitrag ausgelassen.
Auch nicht hilfreich sind Menschen, die meinen Brummbär mit ihren Geschichten belegen, in denen sie erzählen wie eigene Verwandte dem Krebs erlegen sind.
Woran liegt es, dass Menschen oft versuchen mit Geschichten zu punkten, die sie selber erlebt haben und ebenso schlimm, oder eben noch schlimmer sind als das was der Gegenüber gerad erlebt? Manchmal habe ich das Gefühl, es ist wie ein Wettmessen, wer was Schlimmeres erlebt hat.
Typ: „Na wie geht es euch“
Brummbär: “ Hi, naja, Pia hat Krebs“
Typ: „Au ja, das kenne ich, meine Schwägerin ist auch dran gestorben“
Brummbär. Oo
Tut mir leid Typ, ich habe überhaupt nicht im Sinn „auch“ daran zu sterben. Ich will eher dieses Krustentier tot sehen. Meine Hülle bleibt mir noch ein bisschen erhalten. Zumal ich Brummbär versprochen habe, dass ich noch 30 Jahre mit ihm zusammen leben will. Und wenn nicht, will er mich umbringen. Hat er gesagt.
Mann Leute, entkrampft euch, sprecht doch ganz normal mit uns. Wenn es euch wirklich interessiert, wie es uns geht, dann fragt auch direkt danach. Wenn nicht, dann spart euch doch solche Geschichten. Vielleicht wär eine simple Nachfrage: „Und wie geht es dir damit?“ die bessere Variante und liesse Raum für ein gutes Gespräch.
Ich bin trotz Untermieter immer noch die Gleiche. Zwar bin ich heute etwas weniger zimperlich meine Meinung zu äussern. Ich habe auch keine Angst mehr nicht geliebt zu werden, wenn ich jemandem ins Gesicht sage, dass seine Art mit mir umzugehen, mir nicht gut tut. Aber ich erwarte die gleiche Ehrlichkeit von meinem Gegenüber. Wenn jemand mit mir oder meiner Krankheit Probleme hat, dann soll man es doch einfach sagen. Das ist für alle viel einfacher.
Ich erlebte in den letzten Wochen erstaunliches. Menschen, von denen ich es nicht erwartet habe, melden sich plötzlich öfters, und Menschen, von denen ich es erwartet habe, schweigen. Aber das sei angeblich normal, erzählen sie sich in der Krebs-Selbsthilfegruppe. Die Freunde rücken alle ins rechte Licht.