Veröffentlicht 17. Juli 2014
Wie oft bin ich von Arzt zu Arzt geschickt worden, mit Beschwerden, die nicht nachgewiesen, die man mit keinem Apparat fotografieren oder aufzeichnen konnte. Und doch hatte ich immer Schmerzen. Ein Arzt sprach schon vor 20 Jahren von Weichteilrheuma, konnte aber nichts dagegen unternehmen. Anscheinend eine Diagnose, die ein Arzt stellt, wenn er nicht weiter weiss, so sein Kommentar.
Mein Umfeld war skeptisch, es hiess oft „immer hast du was“. Immer musste ich etwas aufgeben, weil die Schmerzen mich hinderten. Heute weiss ich, dass ich eine Krankheit mit dem Namen „Fibromyalgie“ habe. Eine Schmerzkrankheit, die nicht heilbar ist und die man nicht nachweisen kann. Schwierig, wenn man sich dann von den Ärzten nicht ernst genommen fühlt, man etwas schräg angesehen wird. Die Verwandten hatten echt Mühe damit und ich musste hören, dass sie auch nicht wegen jeder Unpässlichkeit der Arbeit fern bleibe. Ich litt und versuchte mich durchzubeissen.
Ich weiss nicht was zuerst da war, die Depressionen oder die Schmerzen. Mein neuer Lebenspartner, mein Brummbär unterstützte mich wo er nur konnte. Lange Zeit war er der Erste und Einzige, der mich ernst nahm. Auf alle Fälle fand ich auch eine tolle Hausärztin, eine super Psychiaterin und eine gute Physiotherapeutin. MIttlerweile erhielt ich auch eine Invalidenrente aufgrund meiner diversen Beschwerden und den Depressionen. Das Leben plätscherte gemächlich vor mich hin und an guten Tagen war ich sogar richtig glücklich. Ich wusste was mir gut tat und konnte meine Tage einteilen. Klar gab es immer noch Tage an denen der Schmerz oder die unsägliche Müdigkeit mich ausbremsten, aber ich fand meinen Humor und meine Hobbys wieder und ich hatte wieder eine Lebensqualität, die annehmbar war.
Erster Verdacht
Etwa eine Woche vor meinem 59. Geburtstag fühlte ich ein Spannen in der linken Brust und strich mit der Hand darüber. War da nicht ein Knoten? Ich schüttelte für mich den Kopf und dachte, dass es wohl wieder so eine doofe Zyste sei. Die hatte ich ja schon ein paarmal gefühlt. Das Spannen in der Brust ging wieder weg. Doch irgendwie liess es mir keine Ruhe und ich fragte meinen Brummbär, ob er nicht auch mal tasten möchte. Er tat es und nahm mir das Versprechen ab, dass ich gleich einen Arzttermin machen soll.
Die Ärztin schickte mich zur Mammografie und Ultraschall. Zum Glück sagte eine Patientin kurzfristig ab und ich konnte noch in der gleichen Woche in die Radiologie. Die Prozedur von Mammografie und Ultraschall kannte ich ja schon, das ist für mich nicht sehr schmerzhaft, nur etwas unangenehm. Ich war schon wieder am anziehen, da kam ein Anruf, dass auch ein CT von der linken Brust gemacht werden müsse. Das machte mich stutzig und ich betrachtete das Röntgenbild meiner Brust. Ein weisses Gebilde lag fast sternförmig in meiner Brust. Ja, es sah echt ein bisschen aus, als hätte es Krebsbeinchen.
Der Radiologe empfahl mir eine Biopsie machen zu lassen, denn eine Zyste sei es bestimmt nicht. Ich horchte in mich hinein und stellte fest, dass keinerlei Emotionen hochkamen. Wird schon nix schlimmes sein. Bisher hiess es ja immer ich hätte nichts.
Die Ärztin die die Biopsie gemacht hatte, teilte mir mit, dass sie mich nicht in Sicherheit wiegen wolle und sie befürchte dass es etwas bösartiges sei. Auf jeden Fall müsse das raus.
Und so kam es, dass ich eine Woche später bereits im Krankenhaus lag und mir ein Teil meiner linken Brust rausgeschnitten wurde. Der Pathologe, der das Ganze kurz ansehen sollte war nicht gekommen und so musste ich eine Woche warten, bis das Ergebnis da war. Noch immer war ich ruhig und mein Brummbär meinte, dass ich ihm fast Angst mache. Denn er seinerseits hatte schreckliche Angst und durchlebte wohl die Hölle. Für mich war dann die Zeit im Warteraum vom Arzt die schlimmste Zeit, denn ich wollte meinem Schatz ja beweisen, dass sie alles erwischt und ich gesund bin.
Die Diagnose
Dann war es soweit, wir sassen beim Arzt im Sprechzimmer und liessen uns erklären, dass ich Brustkrebs habe und dass ich noch einmal operiert werden müsse, weil nicht genügend gesundes Gewebe um den Tumor geschnitten worden sei. Noch immer fühlte ich nichts ausser ein bisschen Wut, dass es nochmal eine OP brauchte.
Und da es sich um ein „Luminal B-Karzinom“ handle, würde ich anschliessend Chemotherapie, Bestrahlung und Hormontherapie erhalten. Die Reihenfolge würde noch abgesprochen.
Mir schoss es durch den Kopf: „Jetzt hast du wirklich mal was das man beweisen kann. jetzt wirst du auch ernst genommen.“ Keiner wünscht sich Krebs, auch ich nicht, aber diese Erfahrung war neu für mich.
Und jetzt sitze ich hier an meinem PC , nach der zweiten OP, und versuche meine Gefühle zu verstehen. Ich kann es kaum beschreiben. Einerseits macht sich eine leise Panik breit, andererseits bin ich immer noch sehr ruhig. So, als ob gar nicht von mir die Rede wäre. So beginne ich halt eine Mütze zu stricken für die Haarlose Zeit.
9 Lymphknoten haben sie mir entfernt, 7 davon hatten bereits Metastasen und sogar schon über 1cm grosse Tumore drin. Hatte ich nicht mal vor längerer Zeit das Gefühl als hätte ich was in der Achselhöhle? Ich erinnere mich nur schemenhaft. Eigentlich lohnt sich nicht darüber nach zu denken.
Was mich aber total unsicher macht, ist die Informationsflut mit der ich von Bekannten bedient werde. Da wird von Alternativtherapien gesprochen, von Kliniken, die auf Chemo verzichten. Von Wundermittelchen, oder Wunderdiäten, die den Krebs aushungern sollen. Was kann man da glauben, was ist daran Scharlatanerie? In einer Selbsthilfegruppe frage ich nach und da sind sich alle einig, dass bei meinem Befund ein „Auspröbeln“ echt tödlich sein könne. Ich soll den Ärzten vertrauen. Das werde ich tun. Am 28. Juli 2014 wird die Besprechung sein, wie und welche Therapie das Ärztegremium für mich und mein Schalentier angebracht hält. Bis dahin versuche ich weiterhin positiv zu denken. Denn das Einzige das mir wirklich Angst macht, ist die Chemo. Nicht wegen dem Haarausfall, das ist das kleinste Problem, aber die Nebenwirkungen sind ja wirklich nicht gerade lustig.